2. September 2009
23:56 Uhr

Im Dormitory wartete schon Mia vom Office of International Affairs der Shih Chien University auf mich. Dieses Dormitory ist ausschließlich für die Nutzung von Austausch-Studenten vorgesehen und wird daher auch vom International Office verwaltet und gepflegt.

Mia hat mir das Haus gezeigt und alles erklärt. Im Erdgeschoss sind die Gemeinschaftsräume: ein großes Wohnzimmer, eine große Küche und ein Essbereich mit allerdings nur 10 Stühlen für 11 Bewohner. Die meisten Schlafzimmer sind in der ersten Etage. Ich teile mir ein Zimmer mit Sebastian, einem Design-Studenten aus Würzburg. Der war allerdings bei meiner Ankunft, wie alle anderen auch, ausgeflogen. Von den 11 Leuten, welche in diesem Semester hier wohnen, kommen übrigens 8 aus Deutschland. Fotos vom Haus habe ich in der Erleichterung angekommen zu sein, nicht gemacht.

Ich lernte dann auch meine beiden School Buddies Alicia und Andrew kennen. Jeder Austausch-Student hat einen oder zwei taiwanesische Studenten, die einem  alles zeigen und bei Problemen behilflich sind. Das ist natürlich eine gute Sache, allerdings ist die Bezeichnung „School Buddies“  ein wenig gewöhnungsbedürftig. Dadurch, dass ich im Mai schonmal hier war und später auch einige taiwanesische Studenten in Köln waren, habe ich schon einige Freunde und Bekannte an der Hochschule. Es war nicht ganz unproblematisch, diesen zu erklären, dass ich nun neue „School Buddies“ habe …

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Mit Alicia und Andrew zusammen habe ich mich dann aufgemacht, um mir eine taiwanesische Handynummer zu besorgen. Weil ich noch keine Aufenthaltsgenehmigung habe, konnte ich das nicht einfach im Handy-Laden machen, sondern musste mich in einem Verwaltungsbüro des Netzbetreibers vorstellen. Da lief allerdings alles reibungslos, mit der kleinen Ausnahme, dass ich natürlich nichts von dem Vertrag verstanden habe, den ich da unterschrieben habe. Die Karte hat übrigens nur 380 NT$ gekostet (ca. 8 Euro), wobei davon 300 NT$ Guthaben sind.

Auf dem Rückweg sind wir dann in die Hochschule, wo ich Ahbiee (eine Freundin) und Wan-Ru Chou (Professorin) wiedergesehen habe. Nach den Wiedersehensfreuden und -grüßen habe ich mit Prof. Chou besprochen, wie mein erstes von zwei Semester hier ablaufen wird. In meinem fall ist das alles etwas spezieller, da Austauschstudenten im Industriedesign-Fachbereich eher ungewöhnlich sind. So findet der Unterricht auch auf Chinesisch statt und auf englischsprachige Veranstaltungen ist man hier nicht eingestellt. Ich werde mich mit den Lehrenden abstimmen, wie meine Betreuung auf Englisch stattfinden kann.

Mit Ahbiee bin ich dann noch in ein Departement Store gefahren. In Taipeh fahren alle Scooter – wir also auch, ich auf dem Rücksitz. Würde ich erzählen, dass der Weg dahin nicht aufregend war, wäre das aus den folgenden drei Gründen gelogen.
(1) Ich bin bisher noch nie Roller gefahren, da ich weder Bedarf hatte, noch das Bedürfnis verspürt habe, es auszuprobieren.
(2) Wir sind in Taipeh unterwegs. ich habe sehr den Eindruck, dass die Menschen hier ein ziemlich entspanntes Verhältnis zu Verkehrsregeln haben.

(3) Ahbiee hat mir erzählt, dass Sie sich selbst nicht für die allerbeste Scooterfaherin hält. Außerdem hatte sie gerade erste einen Unfall.

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Im Laden war dann alles leichter als erwartet: die Zahnpflegeprodukte kommen fast alle aus Deutschland. Ich brauchte aber noch Bedzeug und das war dort entweder zu teuer oder pink. Ahbiee hat dann schnell einen Freund mit Auto organisiert, der uns später zu IKEA fahren wird. Vor dem Department Store habe wir dann Song (war kürzlich ebenfalls in Köln) getroffen. Der kam natürlich auch mit dem Scooter.

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Wir sind zu einem kurzen Zwischenstopp ins Dormitory. Dort wurde es ganz schnell unübersichtlich. Mittlerweile hatten sich alle Mitbewohner eingetroffen, die aber offenbar alle von ihren School Buddies nachhause gebracht wurden. Es waren also anstatt 10 mir bisher unbekannter Mitbewohner nun 20 Menschen in dem kleinen Haus …
Sebastian (studiert Visuelle Kommunikation und ich teile mein Zimmer mit ihm) und Julia (ebenfalls VK) sind mit zu IKEA gekommen. Anes (habe ich ebenfalls im Mai kennengelernt) hat uns orthingefahren. Während IKEA in Deutschland grosse gelbe Wellblechhallen in Industriegebieten baut, hat die Filiale in Taipeh eine Etage in einem Einkaufszentrum in zentraler Lage. Das Angebot war (vermutlich mangels Platz) nicht so umfangreich wie bei uns. Ich habe jedoch alles bekommen und so konnte ich mein Schlafgemach einrichten. Der kleine schwedische Supermarkt wurde auf dem einzigen Gang nach draussen positioniert, sodass man da auf jeden Fall hindurch gehen muss. Ich bin mir nicht sicher, warm man das so gemacht hat: einfach aus Platzmangel, oder weil man sich in Taiwan ganz locker geschäftstüchtig zeigen kann!?

Mittlerweile war ich ziemlich müde. Um Jetlag zu vermeiden wollte ich allerdings noch nicht schlafen gehen. Also musste ich noch etwas unternehmen. Ahbiee und Anes wollten mir ein typisches taiwanesisches Restaurant zeigen. Man trifft sich dort mit Freunden und Essen ist dort Nebensache. Es wird dort Bier getrunken – das haben die beiden mehrfach wiederholt. Die Stimmung im Restaurant erinnerte mich sehr an ein Brauhaus. Am Nebentisch saß eine größere Gruppe. Einige von denen schrien herum, es wurde gesungen und laut gelacht. Die Atmosphäre wurde von den Klängen aus dem Untergeschoss unterstützt, dort befindet sich eine Karraoke-Bar.
Wir bekamen auch an unserem Tisch Bier serviert: eine Liter-Flasche Taiwan Beer und drei Gläser von höchstens der Hälfte einer Kölschstange. Das Essen war auch lecker. Es gab viele Kleinigkeiten in der Tischmitte, die wir uns geteilt haben. Wir haben alle ganz gut zugelangt. Beim Bier allerdings haben Ahbiee und Anes nach nur zwei oder drei Gläsern aufgehört: „It’s too strong.“ So habe ich die Flache zum Großen Teil alleine trinken müssen (wobei mir das eher ein Vergnügen ist, als eine Last). Ich habe dann auch festgestellt, dass auf dem Nebentisch auch nicht die großen Mengen Alkohol stehen, die so ein losgelöstes Verhalten in Deutschland voraussetzt.

Gegen 23 Uhr war ich dann Dormitory. Ich hatte irgendwie gar nicht den Eindruck, gerade als Gaststudent in einem neuen Land angekommen zu sein. Aber das ist ja auch ein gutes Gefühl.

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