Hingeflogen und angekommen
Die letzte Nummer, die aus dem Autoradio kurz vor der Abfahrt zum Frankfurter Flughafen tönte, war „Wind of Change“. Das ist zwar ziemlich bedeutungschwanger, aber die Scorpions sind keineswegs das, was ich als letzte musikalische Erinnerung aus Deutschland mitnehmen wollte. Glücklicherweise hat mein Vater auch schnell das Radio leiser gedreht, um sich auf die Parkplatzsuche zu konzentrieren. Danke Papa.
Meine Eltern hatten mich zum Flughafen gebracht. Wir haben zusammen einen letzten Fleischkäse nach Hausfrauenart gegessen. Dabei bin ich dann langsam auch hibbelig geworden, vorher bin ich im Vorbereitungsstress gar nicht zu Aufregung gekommen. Es ging dann aber auch ganz schnell. Meine Mama hat ein Abschiedsfoto geschossen, es gab einige Umarmungen und mein Versprechen, dass ich auch wieder zurück komme.
Der Flug war ganz okay, wenngleich ich bis zur Zwischenlandung in Peking überhaupt nicht zum Schlafen gekommen bin. Ich hab mir dann alle Filme des Boardprogramms nacheinander angesehen. Das Hörbuch, welches ich mir extra für die Reise noch gekauft hatte, hab ich vergessen auf den iPod zu ziehen.
Die Zwischenlandung in Peking fand ich ziemlich eigenartig. Das betrifft zum einen die Tatsache, dass ich für die vier Stunden Aufenthalt, die ganze Einwanderungsprozedur über mich ergehen lassen musste. Nun gut, immerhin habe ich jetzt einen Stempel der Volksrepublik China im Reisepass.Geradezu absurd fand ich den Umgang der chinesischen Behörden mit der Schweinegrippe. Im Flugzeug liefen kurz vor der Landung Informationsfilme über die Prozedur, welche einem am Flughafen erwartet. Die waren allerdings ausschließlich auf Chinesisch und auch nicht untertitelt. Den Hinweis, dass es die Formulare auf denen man seinen aktuellen Gesundheitszustand und die letzten Aufenthaltsorte beschreiben soll, habe ich nur rein zufällig verstanden, weil ich ja erst kurz vor dem Abflug noch einen Drei-Wochen-Chinesisch-Crashkurs gemacht habe. Am Flughafen dann gab es einen ersten Schalter, an dem die Zettel auf Vollständigkeit geprüft wurden. Ich musste noch eine Telefonnummer eintragen. An einem zweiten Schalter wurden dann die Zettel eingesammelt. Das wars. Offenbar kann man in der Volksrepublik die Schweinegrippe mit Bürokratie abschrecken.
Mein Versuch bei einem Fake-Starbucks am Pekinger Flughafen einen Kaffee auf Chinesisch zu bestellen, war von mittelmässigem Erfolg gekrönt. Die Bestellung aufzugeben an sich ist ganz einfach: Yī bēi kāfēi. Das hat die Bedienung glücklicherweise auch verstanden. Allerdings war ich überhaupt nicht auf Nachfragen eingestellt. Neben dem Sprachproblem war das auch ein inhaltliches. Auf Fragen wie der, ob ich den Kaffee heiss oder kalt trinken möchte, war ich einfach nicht eingestellt.
Der Flug nach Taipeh war dann ziemlich entspannt. Dieses mal konnte ich sogar ganz gut Schlafen. Als das Board-Frühstück serviert wurde, habe ich mich für das chinesische entschieden. Die Einreiseprozedur in Taipeh war ganz einfach. Allerdings musste ich recht lange warten. Es kamen eine ganze Menge Deaflympics-Teilnehmer und -Helfer an. Die Deaflympics sind die Olympiade der Tauben, die ab der nächsten Woche in Taipeh stattfinden.
In der Empfangshalle warte schon der Fahrer, welcher mich zum Dormitory bringen wird. Das unscharfe Foto lässt vermuten, wie schnell das abläuft. Der gute Mann telefoniert noch, erkennt mich durch mein Handzeichen, rückversichert sich noch einmal „Daniel?“, nimmt das Schild mit meinem Namen (in der Mitte) und dann kann ich ihm nur noch folgen. Die letzte Mail vom International Office der Shih Chien University hatte anstatt wie sonst „Pick-Up Service“ in der Betreffzeile „Limousine Service“ stehen. Letzteres beschreibt treffen, mit was für einem Wagen ich abgeholt wurde. Es war groß (unüblich für Taiwan) und hatte Ledersitze sowie verdunkelte Scheiben hinten. Womöglich war das sogar ein deutsches Fabrikat. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, dafür ging das alles zu schnell und ich schon zu dösig.
Auf dem Weg nach DaZhi (das ist der Stadtteil, indem Hochschule und Dormitory sind) hat der Fahrer fast ununterbrochen mit gleich zwei Handies telefoniert. Daran hatte ich mich aber schon gewähnt, als ich im Mai an der Hochschule zu Besuch war. Ich hatte einige Taxifahrer, die das ebenso gemacht haben. Nach 40 Minuten sind wir am Dormitory angekommen. Das Dormitory für Austauschstudenten ist umgezogen. Soviel wusste ich, allerdings war ich doch sehr überrascht: beim letzten mal war das noch ein kleines Reihenhaus, jetzt ist das eher eine kleine Villa.
Die Reise hat fast 20 Stunden gedauert und ich bin doch erleichtert gewesen, endlich angekommen zu sein. Ausserdem war bei der Ankunft schönes Wetter.